* 13. Juli 1953
von Eva‐Maria Houben
Essay
Bereits die ersten Kompositionen, die Dinescu in ihr Werkverzeichnis aufnahm, zeichnen sich durch eine eigene Sprache und wiedererkennbare Signatur aus: In den Drei Liedern nach Lucian Blaga für Sopran und Klavier (1972), den Latin sentences für achtstimmigen Chor (Doina Sterescu, 1972) bis hin zur Sonata für Klavier und Violine (1975) sind Parlando-Gesten zu finden, wie Dinescu sie auch später verwandte; schon hier erhalten die Instrumentalstimmen einen vokalen Charakter. Ihre Musik erfordert einen Parlando- und Rubato-Vortrag, der auch die Doina, eine Gattung der rumänischen Volksmusik, charakterisiert. Die frei ausfließende Zeit tritt in ein Spannungsverhältnis zur gemessenen, metrisch streng gegliederten Zeit; dieses Sich-Ablösen zweier Zeit-Konzeptionen, den Wechsel zwischen „Zeitspannung“ und „Zeitlösung“, nennt Josef Häusler „Atmen der Zeit“ (Häusler 1987, in: Houben 2004, 17).
In der Ballade für Chor (1976), in Verzaubere mich in einen Silbervogel! für Chor und Orchester (1976) oder in Spiel für Kinderchor und Orchester (1977) übernimmt Dinescu traditionelle rumänische Texte und Klangmodelle, ohne wörtlich zu zitieren. Auch in diesen frühen Vokalwerken ist eine musikalische Vorstellung zu spüren, die sich dem ungeteilt Fließenden zuwendet. Den frei strömenden Gesang, der diese wie auch die vorhergehenden Werke kennzeichnet, betrachtet Dinescu als Erbe der byzantinischen ...